Abgelehnte Asylbewerber und andere Ausländer ohne Aufenthaltsrecht sind ausreisepflichtig. Die Rückkehr ins Herkunftsland scheitert oftmals an fehlenden Papieren. Ohne entsprechende Papiere des Herkunftsstaats – meist Reisepaß oder Passersatz – ist weder eine Abschiebung noch eine freiwillige Ausreise möglich. Dementsprechend sind betroffene Ausländer zu dulden (§ 60a Aufenthaltsgesetz). Ausländer sind verpflichtet, bei der Beschaffung von Papieren zwecks Ausreise mitzuwirken. Sie müssen beispielsweise zu den Auslandsvertretungen ihrer Herkunftsstaaten fahren und Passanträge stellen oder sie müssen Passersatzanträge bei der Ausländerbehörde unterschreiben, Passfotos einreichen u.ä. Um in den Iran zurückzukehren verlangt die iranische Botschaft die Unterschrift unter eine Erklärung, dass der oder die Betroffene freiwillig in den Iran zurückzureisen wünscht. Außerdem wird von Frauen verlangt, Passbilder mit Kopfbedeckung einzureichen. Insbesondere bei der Beantragung von Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen (§ 25 V AufenthG) oder nach Bleiberechtsregelungen (§ 23 AufenthG) berufen sich viele Iraner und Iranerinnen darauf, dass ihnen die Unterzeichnung der Freiwilligkeitserklärung nicht zumutbar gewesen sei, das Fehlen iranischer Papiere daher unverschuldet sei und die Abschiebungshindernisse mithin nicht zu vertreten seien. Dem sind Literatur und verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung bislang nicht gefolgt. Weder das Tragen eines Kopftuchs auf dem Passbild noch die Unterzeichnung der Freiwilligkeitserklärung verletzten die Betroffenen in ihren Persönlichkeitsrechten. Der Verpflichtung, aus Deutschland auszureisen, komme höheres Gewicht zu als den allenfalls moralischen Bedenken, eine falsche Erklärung abzugeben, wobei es den iranischen Behörden mit der Fragestellung nur um eine Abgrenzung gehe zu Personen, die abgeschoben werden sollten (etwa aus Strafhaft heraus).
Kürzlich befasste sich das Oberlandesgericht Nürnberg mit diesen Fragen. Das OLG war zuständig, weil es eine Vorschrift im Aufenthaltsgesetz gibt, wonach der Aufenthalt im Bundesgebiet ohne Paß strafbar ist. Die Staatsanwaltschaft hatte eine entsprechende Anklage erhoben. Das OLG ist als Revisionsgericht in Strafsachen an die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz gebunden. Dementsprechend erhob es nicht selbst Beweis über die Praxis der iranischen Auslandsvertretungen sondern stützte sich auf die Ergebnisse der Beweisaufnahme des Landgerichts als Berufungsgericht.
Die rechtliche Würdigung des OLG ging dahin, dass der Angeklagte zu Recht in der Vorinstanz freigesprochen worden sei, da die Strafbarkeit nur gegeben sei, wenn der Ausländer in zumutbarer Weise einen Paß besorgen könne und dies nicht tue. An dieser Zumutbarkeit fehle es aber: Die Abgabe der Freiwilligkeitserklärung sei eine behördlich erzwungene Unwahrheit. Es sei mit dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten der Betroffenen nicht vereinbar, Ausländer dazu anzuhalten, inhaltlich falsche Angaben gegenüber einer konsularischen Vertretung zu machen.
Das Urteil des OLG Nürnberg gibt neuen Diskussionsstoff auch im ausländerrechtlichen Bereich. Ausländerbehörden und Verwaltungsgericht sind aber nicht an dieses Urteil gebunden. Die Entscheidung bietet aber Argumentationshilfen gerade bei der Bleiberechtsregelung.
Manuel Kabis
Rechtsanwalt, Dortmund
Das Urteil des OLG Nürnberg
http://www.asyl.net/Magazin/Docs/2007/M-7/9527.pdf